… wenn ich Maler wäre, ich glaube, dieses Land könnte ich nicht malen, weil es zu SCHÖN ist. Und das Auge kann diese Farben und diese Formen gar nicht auf einmal fassen. Wenn eine Landschaft malen, dann Norddeutschland, die Marschen, die Äcker …
Hildegard in einem Brief im Frühjahr 1958 an Horst Ochse
In Bad Salzuflen wurde Hildegard Maria Helene Römer am 7. Dezember 1935 geboren, Tochter des Sprachlehrers Arthur Peter Maria Römer (1893–1957) und der Autorin und Studienrähtin Dr. phil. Emma Maria Krusemeyer (1894–1964). Ihre katholischen Eltern lernten sich in den späten 20er Jahren in Münster kennen, nach der Entlassung aus dem Schuldienst 1933 betrieben sie ein privates katholisch geprägtes Töchterheim und nach dem Krieg eine Pension in Bad Salzuflen. Hildegard wurde von einem Kindermädchen betreut und wuchs in behüteten, bürgerlichen Verhältnissen auf. Die Mutter veröffentlichte zahlreiche Prosatexte und nach dem Krieg eine Biografie über Dr. Adolf Donders. Hildegard war musikalisch und sportlich sehr begabt, sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Anerkennungen.
Mit 16 verließ sie das bürgerliche Bad Salzuflen und reiste als Stipendiatin auf der SS United States nach New York und weiter nach Rochester im Bundesstaat New York. Mit im Gepäck ihre erste Fotokamera, ein Geschenk des Vaters an die rebellisch werdende Tochter. Die Fotokamera war es, die fortan Hildegards Leben dokumentierte wie ein Tagebuch. In Rochester lebte sie bei einer Gastfamilie deren Vater, Ronald J. Gledhill als Chemiker in der Entwicklungsabteilung von bei Eastman Kodak tätig war. In dieser Zeit lernte Hildegard wichtige Grundlagen der Fotografie kennen. Ihre Eltern trennten sich Anfang der 50er Jahre, die Mutter zog nach Bochum, wo sie als Oberstudienrätin bis zu ihrer Pensionierung tätig war. Nach einem Jahr kehrte Hildegard zurück mit einem guten Senior High-School Diplom sowie anderen Auszeichnungen auf dem legendären italienischen Luxusschiff der SS Andrea Doria welches bekannt und berühmt war für ihre zahlreichen Kunstwerke an Bord.
Sie bestand 1955 ihr Abitur mit Auszeichnung und begann ein Studium für Romanistik und Kunstgeschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau bei Dr. Hugo Friedrich (1904–1978) und Dr. Kurt Bauch (1897–1975). Während ihres Studiums unternahm sie zahlreiche Studienreisen in die Schweiz, Frankreich und Italien.
Ich glaube, das Sehen einer Stadt, von Farben usw. ist für mich wie das was für andere das Hören von Musik ist. Das sehen an sich ist es, auf das Ding. Das gesehen wird, kommt es gar nicht mal so sehr darauf an. Ich taste, fühle und höre sozusagen mit den Augen.
Hildegard in einem Brief 1958 an Horst Ochse
1957 erhielt sie ein Stipendium für Aix-en-Provence in Frankreich, noch im gleichen Jahr wurde sie schwanger und ihr Vater starb am 7. Dezember. Im März folgte die Hochzeit mit dem Akademiker Horst Ochse (1927–2014) und bekam im Sommer ihren ersten Sohn. Sie musste ihr Studium abbrechen und bekam in den folgenden Jahren noch drei weitere Kinder. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter 1964 trat sie aus der Kirche aus. 1973 zog die Familie von Freiburg nach West-Berlin, wo nach drei Jahre ihre Ehe scheiterte und auseinander brach. Hildegard entdeckte Anfang 1975 ihre große Leidenschaft und Interesse zur Fotografie und Kunst. Erst lernte sie autodidaktisch und in Fotokursen der VHS Zehlendorf unter der Leitung von Hans Heinz Abel (DGPh), später an der 1976 von Michael Schmidt (1945–2014) gegründeten Werkstatt für Photographie in Berlin-Kreuzberg. Dort nahm sie Teil an Kursen unter der Leitung von Ulrich Görlich und Wilmar Koenig (1952–2018) sowie Workshops amerikanischer Fotografen wie Lewis Baltz (1945-2014), John Gossage *1946, Ralph Gibson *1939 und Larry Fink ‘1941 und dem deutschen Fotografen Andre Gelpke *1947. Hildegard schuf Bilder für sich selbst und nur einem inneren Auftrag folgend, auch wenn äußerer gegeben war. Sie vermittelt mit ihren Fotografien ein neues Sehen und Wissen um das, was um uns vorgeht. Nur wenige Jahre nach ihrem Neuanfang wurde eine erste Fotoserie von ihr von der Berlinischen Galerie angekauft weitere sollten folgen. Ab 1978 unter richtet sie bereits selber Fotografie an der Landesbildstelle sowie an der Pädagogischen Hochschule Berlin. Nach der Trennung von ihrem Ehemann und Neuanfang 1980, etablierte sie sich 1981 als selbständige Autorenfotografin in Berlin. Sie erhielt Aufträge, Stipendien und Ausstellungen im In- und Ausland. Ab 1987 lernte sie Hebräisch und studierte Judaistik, besuchte regelmäßig die Synagoge und unternahm zahlreiche Studienreisen nach Israel. 1995 wurde bei ihr nach längerer Krankheit eine Leukämie diagnostiziert und starb im Sommer 1997 mit 61 Jahren in Berlin. Nach ihrem Tod wurden ihre Fotografien in zahlreichen Ausstellungen Präsentiert u. a. im Haus am Kleistpark, Landtag von Brandenburg, Kommunale Galerie Berlin und in der Fotogalerie C/O Berlin im legendären Amerika Haus, im Deutschen Bundestag und im Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst (BMLK) | Dieselkraftwerk Cottbus.
Hildegard Elisabeth Maria Helene Ochse geb. Römer, 7. Dezember 1935 in Bad Salzuflen im Freistaat Lippe.
1942 Besuch der ehml. katholischen Volksschule in Bad Salzuflen.
Ab 1946 Besuch der Oberschule für Mädchen in Bad Salzuflen.
Juli 1952 reist sie mit einem Stipendium auf der SS United States für ein Jahr nach Rochester im US-Bundesstaat New York.
Erste eigenwillige fotografische Ansichten von New York, Menschen, Rochester und Landschaften.
Besuch von Washington D.C., Philadelphia, der Niagarafälle und der UN in New York.
1953 Erhalt des High School Diploma.
1953 Rückfahrt nach Europa im Juni auf der SS Andrea Doria über Spanien und Italien.
1955 Abitur am neusprachlichen Gymnasium mit Auszeichnung in Bad Salzuflen.
Ab 1955 studiert sie Romanistik (Französisch, Deutsch, Italienisch) und Kunstgeschichte u.a. bei Dr. Kurt Bauch an der Albert-Ludwig Universität in Freiburg im Breisgau.
1957/58 Studium in Aix-en-Provence (Stipendium) sowie Volontariat bei dem Fotografen Jean Demontront.
Am 7. Dezember 1957 stirbt ihr Vater Peter Arthur Maria Römer.
Im März 1958 heiratet sie Horst Ochse (1927–2014).
1958–65 Geburt und Aufzucht von vier Kindern.
1964 stirbt ihre Mutter Dr. phil. Maria Römer-Krusemeyer.
1973 Umzug mit der Familie von Freiburg nach Berlin (West).
Ab 1975 autodidaktisch Fotoarbeiten, Teilnahme an Fotokursen an der VHS Zehlendorf unter der Leitung von Hans-Heinz Abel (DGPh). Mitgliedschaft in der Amateurfotografenvereinigung Kreuzberg u.a. zusammen mit Michael Schmidt.
1976 Ehekrise und spätere Trennung von Dr. Horst Ochse.
1979–81 Besuche der Werkstatt für Fotografie in Berlin-Kreuzberg, Teilnahme an Kursen von Ulrich Görlich und Wilmar Koenig u.a.
Teilnahme an Workshops von Lewis Baltz, John Gossage, Ralph Gibson, Larry Fink und André Gelpke.
1978 nimmt sie eine Lehrtätigkeit als Fotografin in der Landesbildstelle sowie an der Pädagogischen Hochschule Berlin an.
Sie unternimmt zahlreiche Reisen nach Kreta, Italien, Schweiz, Frankreich, in die Türkei und Israel.
Ab 1981 ist sie als selbständige Autorenfotografin tätig.
Ab 1988 beginnt sie mit dem Studium der Judaistik und dem Hebräischen.
1992 Umzug in die Bayernalle in Berlin-Westend.
1995 wird bei ihr Leukämie diagnostiziert.
Sie stirbt am 28. Juni 1997 in Berlin.
Im Frühjahr 2019 wurde Hildegard Ochse auf dem selben Friedhof umgebettet.
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