WENDEZEIT 1989–1991
Fotografien von Hildegard Ochse
Vom 13. August bis 1. November 2013
Landtag Brandenburg in Potsdam
Kuratiert von Benjamin Ochse
Die Ausstellung »WENDEZEIT 1989–1991« mit Arbeiten der Berliner Fotografin Hildegard Ochse beleuchtet die ereignisreichen Monate zwischen friedlicher Revolution in vier Sequenzen: Die Berliner Mauer während der Öffnung im November 1989, gefolgt von einem Rundgang durch die Dörfer und Städte Brandenburgs im Frühjahr 1990 sowie Kinderportraits von 1990/91 und dem Zerfall der Mauer und Grenzanlagen im Jahr 1990. Die in dokumentarischem Schwarz-Weiß gehaltenen Fotografien verklären nichts. Greifbare Erleichterung der ersten Tage nach der Maueröffnung mischt sich mit den Zumutungen der Provisorien dieser Tage. Im Kontrast zu dem schnellen Gang der Ereignisse steht der Alltag im Brandenburgischen. Die Menschen in Ochses Bildern sind aufgebrochen, aber noch nicht angekommen. Am Ende liegt die Mauer sinnentleert, vergessen und von erstem Unkraut überwuchert im ehemaligen Todestreifen. In der gezeigten Auswahl von rund 40, zum Teil bisher unveröffentlichten Fotoarbeiten klingt die Wucht des gesellschaftlichen Auf- und Umbruchs nach, ohne dass Neues Zeit hatte zu wachsen.
Rede von Gunter Fritsch, Präsident des Landtages Brandenburg am 13. August 2013
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Ochse,
verehrte Gäste, ich begrüße Sie ganz herzlich im Landtag Brandenburg.Meine Damen und Herren,
am heutigen Tag jährt sich der Tag des Mauerbaus zum 52. Mal. Als am 13. August 1961 Grenztruppen Sperren errichteten, Volkspolizei und Kampftruppen in Alarmbereitschaft standen und Bautrupps die ersten Steine der zukünftigen Mauer aufeinandersetzen, bedeutete dies einen schmerzlichen Einschnitt in der deutschen Nachkriegsgeschichte.Der Mauerbau war aber vor allem auch für viele Menschen in beiden deutschen Staaten ein schmerzlicher Einschnitt. Getrennt von Verwandten und Freunden, abgeschnitten von ihren Arbeitsstellen, war an diesem Morgen in vielen Familien nichts mehr so wie noch am Abend zuvor. Schon bald wurde der Grenzstreifen zum Todesstreifen. Der Opfer des Grenzregimes gedenken wir deshalb am heutigen Tag ganz besonders.
Die Entscheidung zum Bau der Berliner Mauer und der Sperranlagen entlang der gesamten innerdeutschen Grenze war allerdings nicht zuletzt auch das öffentliche Eingeständnis der DDR-Machthaber, der eigenen Bevölkerung keine positive Perspektive mehr bieten zu können. Insofern war absehbar, dass die erzwungene Trennung nicht für alle Ewigkeit bestand haben würde. Dass der Mauerfall am Ende nicht mit Gewalt oder gar Krieg, sondern auf dem Wege einer durch und durch friedlichen Revolution der Bürgerinnen und Bürger selbst erreicht wurde, ist vielleicht der größte Glücksfall in der Geschichte unseres Landes.Die ausgestellten Arbeiten der Berliner Fotografin Hildegard Ochse beleuchten diese ereignisreichen Monate zwischen 1989 und 1991. Greifbare Erleichterung der ersten Tage nach der Maueröffnung mischt sich mit den Zumutungen der Provisorien dieser Zeit. Schon wieder hieß es, Schlange stehen: Vor dem Grenzübergang ebenso wie für die Auszahlung des Begrüßungsgeldes oder an Bussen und S-Bahnen. Im Kontrast zu dem schnellen Gang der Ereignisse stehen die Eindrücke der Fotografin, die sie im Frühjahr 1990 im Brandenburgischen gewann. Die Kaufhalle hat ihre Auslagen noch nicht auf Westprodukte umgestellt. Das Straßenbild wurde noch von Trabis und Fahrrädern beherrscht und die Fischer gingen scheinbar unberührt ihrem Tagwerk nach.
Am Ende der Fotoserie liegt die Mauer sinnentleert, vergessen und von erstem Unkraut überwuchert im ehemaligen Todesstreifen. Der Wandel hat inzwischen die Bevölkerung in ihrem Alltag erreicht. Die Menschen in den Aufnahmen sind aufgebrochen, aber noch nicht angekommen. Es galt, sich im neuen vereinigten Deutschland zurechtzufinden. Viele in der Region hatten ihren bisherigen Arbeitsplatz verloren oder sorgten sich um ihre persönliche Zukunft. Der Fall der Mauer schien da bereits unendlich weit weg. Um mehr zur Entstehung der Arbeiten und der Intention der Fotografin zu erfahren, gebe ich nun das Wort an Benjamin Ochse, den Sohn von Hildegard Ochse.
Inzwischen hat die Brandenburger Generation, die Grenzregime- und SED-Diktatur nicht mehr aus eigener Erinnerung kennt, selbst schon wieder Kinder. Brandenburg hat sich gut entwickelt. Die Ruinen und die graue Tristesse der späten DDR sind längst aus unseren Städten und Dörfern verschwunden. Authentische Zeugnisse, die den Alltag in der »Wendezeit« zeigen und eine Ahnung von der Dimension des gesellschaftlichen Auf- und Umbruchs jener Tage vermitteln, werden deshalb immer wichtiger. Hierzu können die Fotografien von Hildegard Ochse einen wirklich guten Beitrag leisten.
2013 | © Benjamin Ochse
Link zur Ausstellung
Landtag Brandenburg