Kreuzberg – Amerika. Werkstatt für Photographie 1976–86
Kuratiert von Thomas Weski und Felix Hoffmann
10. Dezember 2016 – 12. Feburar 2017
C/O Berlin Foundation . Amerika Haus
Hardenbergstraße 22-24 | 10623 Berlin
Rede von Thomas Weski (Textversion) und Felix Hoffmann zur Ausstellung am 9. Dezember 2016
Die Gruppenausstellung mit Arbeiten von Hildegard Ochse, geb. Römer (1935–1997) ist Teil eines Projektes anlässlich des 40jährigen Jubiläums zur Aufarbeitung der Geschichte über die Werkstatt für Photographie (1976–1986) in Berlin-Kreuzberg mit den Ausstellungsstätten C/O Berlin, dem Museum Folkwang Essen und dem Sprengel Museum Hannover. Hildegard Ochse erkannte Anfang der 70er Jahre erneut die Fotografie als Medium, sich künstlerisch auszudrücken. Bereits durch ihr bürgerliches Elternhaus in Bad Salzuflen wurde sie früh mit den klassischen Bilderwelten vertraut gemacht. Ihre Eltern waren beide Lehrer und interessierten sich für Kunstgeschichte. Ihre erste eigene Fotokamera erhielt sie 1952 anlässlich eines Stipendiums für Hochbegabte in Rochester, im Bundesstaat New York. Hier entstanden erste eigenwillige Fotografien. Es folgte ein Studium der Kunstgeschichte in Freiburg/Breisgau, u.a. bei Prof. Kurt Bauch (1897–1975) zu dessen Forschungsgebiet mitunter die niederländische Malerei um Rembrandt zählte. Hildegard Ochse war bereits 43 Jahre alt und Mutter von vier Kindern, als sie sich nach ersten autodidaktischen Anfängen für eine neue Karriere als Fotografin entschied. Ihre Bildsprache entwickelte sich nach anfänglicher Suche schnell; tiefsinnig, mehrschichtig und philosophisch, dicht, hoch konzentriert, konzeptionell und dokumentarisch. Sie schuf Bilder gewissermaßen für sich selbst und nur einem inneren Auftrag folgend. Mit ihren Fotografien vermittelt sie zugleich ein neues Sehen und Wissen um das, was um uns vorgeht. Fast zeitgleich, Mitte der 1970er Jahre, fand in West-Berlin ein beispielloser Aufbruch in der Fotografie statt. Eine junge Generation baute in kurzer Zeit eine neue Infrastruktur für einen anderen, neuen Blick auf das Medium auf und definierte die Fotografie bewusst als eigenständige Kunstform.
Die bekannte Werkstatt wurde im Herbst 1976 unter der Leitung von Michael Schmidt (1945–2014) gegründet. Die Idee war, eine Alternative zur traditionellen Ausbildungsstätte für Fotografie zu schaffen. Der Eintritt war ohne Qualifikation hinsichtlich der Schulbildung und des Alters möglich. Jeder, der die Fotografie als Ausdrucksmittel seiner Persönlichkeit erlernen wollte, konnte nach einem kurzen Vorstellungsgespräch Kurse belegen. Aus dieser Forderung heraus lernten Menschen mit unterschiedlichstem wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Hintergrund das Fotografenhandwerk. Aus einem kritischen Dialog zwischen Fotografen und Amateuren, zwischen technischer Vermittlung und inhaltlicher Kritik und auf der Basis dokumentarischer Ansätze entstand eine neue künstlerische Haltung. Die Werkstatt erlangte mit ihrem engagiertem Ausbildungsprogramm, Kursen, Ausstellungen und Workshops schnell internationales Niveau und etablierte sich über die Grenzen Deutschlands hinaus.
Ab 1975 besuchte Hildegard Ochse Fotografie-Kurse und wurde 1978 Gasthörer an der Werkstatt für Photographie. Zu Beginn der Werkstatt dominierte eine teils orthodoxe dokumentarische Sehweise, die sich in Teilen an der Ästhetik von Michael Schmidt ausrichtete und sich auf eine rigorose Darstellung des Alltags konzentrierte. Später experimentierte die Fotografenszene mit neuen Formen des Dokumentarischen, die eine neue subjektive Sicht des Autors betonte. Hildegard Ochse entwickelte schnell eine eigenständige, künstlerische Autorenschaft mit persönlicher Sichtweise. Die meisten Kursteilnehmer und Gasthörer waren Autodidakten und hatten daher ein liberaleres Verständnis für das Medium im Vergleich zu den Berufsfotografen. Die Bildsprache und der Inhalt waren anfangs wichtiger als die technische Qualität. Bereits 1978 nahm Hildegard Ochse eine Lehrtätigkeit als Fotografin in der Landesbildstelle sowie an der Pädagogischen Hochschule Berlin auf.
Die Ausstellung »Kreuzberg – Amerika« arbeitet die Geschichte der Werkstatt für Photographie neu auf. In der von Thomas Weski und Felix Hoffmann kuratierten Gruppenausstellung werden Bilder von anerkannten Fotografen wie Lewis Baltz, Larry Clark, William Eggleston, Larry Fink, John Gossage und Stephen Shore gezeigt, die im Rahmen der Werkstatt ausgestellt wurden. Diese Auswahl wird in einen Dialog gesetzt mit Bildern von Fotografen, Dozenten und Gästen der Werkstatt, darunter zahlreiche erstmalig gezeigte Unikate von Hildegard Ochse.
Zu der Ausstellung erscheint eine Publikation »Werkstatt für Photographie 1976–1986« mit Texten von Florian Ebner, Felix Hoffmann, Inka Schube und Thomas Weski u.a.
Eine Zusammenfassung der Presse finden Sie hier…